»Amandla Awethu«

junge Welt, 15. Dezember 2010

junge Welt, 15. Dezember 2010Rund 15000 internationale Delegierte haben am Montag nachmittag in Tshwane (Pretoria) die 17. Weltfestspiele der Jugend und Studenten eröffnet. Von den seitens der Veranstalter erwarteten 30000 südafrikanischen Besuchern fanden allerdings nur gut zweitausend den Weg zur Eröffnungsfeier ins Lucas-Moripe-Stadion in Atteridgeville, einer ehemaligen Township der südafrikanischen Hauptstadt Pretoria. Dort riefen der Präsident des Weltbundes der Demokratischen Jugend (WBDJ), Tiago Vieira, und dessen Pendant im Nationalen Vorbereitungskomitee, ANC-Jugendliga-Präsident Julius Malema, mit klaren Forderungen zum Kampf gegen den Imperialismus auf. »Die Jugend der Welt akzeptiert es nicht, zu einer Generation ohne Rechte degradiert zu werden«, unterstrich Vieira.

Erwartet vage blieb hingegen Südafrikas Staatspräsident Jacob Zuma. »Wenn die Jugend unsere Zukunft ist, dann sollte sie eine wichtige Rolle bei der Gestaltung dieser Zukunft spielen«, so Zuma. Die Jugend müsse Lösungen anbieten für die Probleme der Welt. Nachdem er die Menge mit dem aus dem Befreiungskampf bekannten Wechselsprechchor »Amandla Awethu« (»Alle Macht dem Volk«) begrüßt und eine kurze Militärparade samt siebzehnfachem Kanonendonner und Flugshow abgenommen hatte, wies Zuma auf die historische Rolle der Weltjugend im Kampf für den Frieden hin. Weiter verglich der Präsident die Weltjugendfestspiele mit der Fußballweltmeisterschaft im vergangenen Juni und Juli. Das Festival verstärke die Botschaft, daß die Welt in Südafrika willkommen sei, so Zuma. Zu betonen, wer nicht willkommen ist, überließ er dem Jugendliga-Chef. Der forderte seine Regierung – und damit auch deren neben ihm sitzenden Chef Zuma – direkt dazu auf, die marokkanische Botschaft zu schließen, sollten die Nordafrikaner der Forderung nach einer Unabhängigkeit der Westsahara nicht nachkommen. Neben den palästinensischen, simbabwischen und kubanischen Abordnungen durfte sich auch die Delegation Nordkoreas der ausdrücklichen Solidarität Malemas im Kampf gegen den Imperialismus erfreuen.

Bei dem mit mehr als zweistündiger Verspätung begonnenen Einmarsch der Delegationen ins Stadion hatten deren Vertreter als erste Gruppe ob des offensichtlich fortgeschrittenen Alters der je nach Geschlecht in schwarze Anzüge oder bunte Kostüme gekleideten Teilnehmer einige verwunderte Blicke auf sich gezogen. Eigentlich hatte die Delegation Venezuelas als Ausrichter der letzten Weltfestspiele 2005 zuerst einlaufen sollen. Die Südamerikaner kamen jedoch mit eintägiger Verspätung erst am Montag an und verpaßten deshalb die Zeremonie. Die 72köpfige deutsche Delegation aus Mitgliedern der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ), der Freien Deutschen Jugend (FDJ), der DKP sowie aus Ortsgruppen von Antifa, GEW-Jugend, ver.di-Jugend und IG-Metall-Jugend mußte sich dagegen aus einem anderem Grund gedulden. Weil der Staatspräsident im Anzug war, drängten Ordner die startbereite Gruppe zunächst gemeinsam mit der nepalesischen Delegation wieder zurück, ehe sie doch noch ihre Stadionrunde zurücklegen durften.

In den nächsten neun Tagen wird neben dem Kampf gegen den Imperialismus und wirtschaftliche Unterdrückung vor allem das Thema Bildung auf der Agenda stehen. Auch wenn Zuma in seiner Ansprache den Analphabetismus als eines der weltweit größten Probleme der Jugend gegeißelt und gefordert hatte, daß auch universitäre Bildung für alle Menschen erreichbar sein müsse, sind in Südafrika bislang nicht einmal die Grundschulen gebührenfrei. Eine entsprechende Reform des Schulwesens ist zeitnah nicht in Sicht. Das dürfte in den kommenden Tagen ebenfalls ein Thema bei vielen Seminaren und Diskussionsveranstaltungen werden.

Von Christian Selz, Tshwane
Erschienen am 15. Dezember 2010 in der Tageszeitung junge Welt