Verwunderung über Gastgeber

junge Welt, 17. Dezember 2010

junge Welt, 17. Dezember 2010Bei den Weltfestspielen der Jugend und Studenten in Pretoria, der Hauptstadt Südafrikas, reißen die Organisationsprobleme nicht ab. Auch am Mittwoch fielen mehr als die Hälfte der angekündigten Seminare und Workshops aus. Zugleich wächst unter den internationalen Delegationen die Verwunderung über die schwache Beteiligung der südafrikanischen Gastgeber an den Veranstaltungen. So prägten an dem Amerika gewidmeten Tag vor allem die Teilnehmer aus Kuba, Venezuela und anderen Ländern des Kontinents die Debatten.

Aus Kreisen des südafrikanischen Nationalen Vorbereitungskomitees hieß es unter der Hand, daß die anhaltenden Probleme hauptsächlich dadurch verursacht worden seien, daß der Organisationschef nur zwei Wochen vor Festivalbeginn abgesetzt wurde und so die Zeit schlicht zu knapp wurde. Seine Nachfolgerin weigert sich zudem, den an der Vorbereitung beteiligten Mitarbeitern ihren versprochenen Lohn zu zahlen.

»Südafrika hat große Anstrengungen bei der Organisation unternommen, aber wahrscheinlich haben sie die politische und logistische Dimension dieses Ereignisses nicht verstanden«, kritisierte der Generalsekretär der Kommunistischen Jugend Venezuelas (JCV), Héctor Rodríguez, gegenüber jW. Den Südafrikanern seien »einige Sachen aus den Händen geglitten«. So habe sich die Essensversorgung der Delegierten nach dem Wechsel des beauftragten Catering-Unternehmens zwar gebessert, bliebe jedoch schwierig. Ebenso fehlten bei etlichen Veranstaltungen die Übersetzer. Trotzdem sei der Amerikatag erfolgreich verlaufen. »Zwei Seminare hatten besondere Bedeutung für Venezuela: das zur Verunglimpfung unseres Landes durch die Massenmedien und das zum Kampf gegen die US-Militärbasen in Südamerika.« Venezuela werde durch Militärprojekte in den Nachbarländern umzingelt. Im Kampf dagegen habe man viel Solidarität von den Delegierten aus anderen Ländern gespürt, so Rodríguez.

Bei einem Forum über nord­amerikanische Bergbaukonzerne in Mexiko berichteten die Delegierten von dort, daß bereits 25 Prozent des Grund und Bodens in ihrem Land im Besitz von US-Unternehmen seien, die die Umwelt vergiften. Viel Andrang herrschte bei einer Veranstaltung über die Aktualität der Gedanken Che Guevaras für Lateinamerika. Die Teilnehmer standen noch in drei Reihen hintereinander in der Eingangstür, um dessen Tochter Aleida hören zu können. Bei einer Konferenz über freien und universellen Zugang zu Bildung, Wissenschaft, Kultur und Information sprachen sich die Redner aus mehreren Ländern gegen die Privatisierung von Hochschulen und für unabhängige und freie Bildung aus. Diese sei die Voraussetzung für eine progressive Entwicklung der Jugend.

Die neoliberale Mainstreampresse Südafrikas hat sich hingegen voll auf die Widrigkeiten beim Festival eingeschossen. Angefeuert durch die von Weißen dominierte Oppositionspartei Democratic Alliance (DA) dreht sich die Berichterstattung seit Tagen fast ausschließlich um die Finanzierung der Weltfestspiele durch die Regierung und Streitigkeiten unter den Organisatoren.

Von Christian Selz, Pretoria
Erschienen am 17. Dezember 2010 in der Tageszeitung junge Welt