Nehmen, wie es ist

Am 16. Oktober demonstrierten die Mitgliedsverbände des WBDJ in Sotschi zu Ehren des 100. Jahrestages der Oktoberrevolution

Die Überraschung war gelungen. Zur Eröffnungsfeier der 19. Weltfestspiele der Jugend und Studenten am Sonntag in Sotschi erschien der russische Präsident Wladimir Putin im Bolschoi-Eistheater und rief die Jugend in einer kurzen Rede auf, die Welt zum Besseren zu verändern. »Die Hauptsache ist, vorwärts zu gehen«, ließ Putin die Anwesenden wissen, »für Freiheit, Glück und Frieden«.

Wie sich das russische Staatsoberhaupt dies vorstellt, war zuvor knapp zwei Stunden lang im Rahmen der Eröffnungsgala präsentiert worden: individuelles Engagement in Wissenschaft, für Behinderte und die Natur sowie in der Medizin. Politische Fragen spielten in diesem Programm eine untergeordnete Rolle. Ein Architekt aus Wladiwostok, der in Nepal mit anderen Freiwilligen eine Schule aufgebaut hatte, erklärte in einem eingespielten Film, »um die Welt zu verändern, braucht es keine Revolution«. Alle müssten nur einander helfen.

Bereits vor den Weltfestspielen hatte Putin seine Position deutlich gemacht. Wie die russische Nachrichtenagentur TASS am 20. August berichtete, hatte er von einer »Ideologisierung« des Festivals abgeraten. Eine solche habe es zu sozialistischen Zeiten gegeben. »Nun, so denke ich, müssen wird eine Politisierung vermeiden. Das Event sollte sich an Jugendliche aus der ganzen Welt richten, unabhängig von ihren politischen Einstellungen.«

Demgegenüber erinnerte der Vorsitzende des Weltbundes der Demokratischen Jugend (WBDJ), Nikolas Papademitriou aus Zypern, daran, warum das Festival in diesem Jahr in Russland stattfindet: Zum 100. Mal jährt sich die sozialistische Oktoberevolution. Außerdem gedachte er in seiner Rede des vor 50 Jahren ermordeten Che Guevara sowie der im vergangenen Jahr verstorbenen Freiheitskämpfer Mohammed Abdelaziz aus der Westsahara und Fidel Castro aus Kuba. Papademitriou sprach sich zudem dafür aus, den Kampf gegen Imperialismus, Neokolonialismus und für soziale Gerechtigkeit und Frieden gemeinsam zu führen.

Es scheint, dass auf den 19. Weltfestspielen zwei Gruppen zusammenkommen: die Delegationen aus den Reihen der WBDJ-Mitgliedsorganisationen und die Zehntausenden, vom nationalen Vorbereitungskomitee ausgewählten Jugendlichen, die vor allem aus Russland und den ehemaligen Sowjetrepubliken nach Sotschi gereist sind. Diese waren auch die Zielgruppe der Eröffnungsfeier und des von staatsnahen Unternehmen wie der Sberbank gesponserten Programms.

Ob sich die Linken in diesem Umfeld mit ihren politischen Ideen durchsetzen können, wird sich in den kommenden Tagen zeigen. Aufgestoßen ist den Angehörigen der deutschen Delegation bereits, dass Mitglieder des russischen Revolutionären Komsomol (RKSMb), der dem WBDJ angehört, keine Akkreditierung für die Weltfestspiele erhalten haben. »Wir freuen uns auf den Austausch mit so vielen Jugendlichen aus aller Welt, um von den Kämpfen anderer zu lernen und unsere Erfahrungen mit ihnen zu teilen«, erklärte die stellvertretende SDAJ-Bundesvorsitzende Lena Kreymann. »Wir kritisieren jedoch aufs Schärfste, dass dieser Austausch aktiv behindert wird.« So seien Teile der Delegationen aus Indien, Sri Lanka und Nepal in völlig unzureichenden Notunterkünften untergebracht. Ein Aktivist des kommunistischen Jugendverbandes SKOJ aus Serbien sei am Flughafen festgenommen und sofort nach Belgrad abgeschoben worden.

Die Mitglieder der Kommunistischen Jugend Portugals (JCP) halten es trotz ihrer Unzufriedenheit über solche Probleme für wichtig, die Idee der Weltfestspielbewegung aufrechtzuerhalten. Das könnte in Sotschi allerdings schwierig werden, sagten sie am Sonntag im Gespräch mit junge Welt. »Wir haben in Portugal eine Redensart: Man muss es nehmen, wie es ist«, fasste einer der jungen Kommunisten die Lage zusammen. Kein Grund also, pessimistisch zu sein. Die Weltfestspiele hätten ja gerade erst begonnen, vor den Teilnehmern lägen noch mehrere Tage. Das Programm des WBDJ sei zudem eine gute Gelegenheit, die eigenen Inhalte zu schärfen und mit Genossen sowie anderen Jugendlichen aus vielen Ländern über die notwendige Veränderung der Welt zu diskutieren.

Erschienen am 17. Oktober 2017 in der Tageszeitung junge Welt