Rückkehr nach Russland

Vorfreude auf die Weltfestspiele: Teilnehmer werben in der U-Bahn von Nowosibirsk für das Programm des Festivals

Am heutigen Samstag werden die 19. Weltfestspiele der Jugend und Studenten mit einer Parade in Moskau beginnen. Hauptaustragungsort wird allerdings Sotschi sein, wo am Sonntag die offizielle Eröffnungsfeier stattfinden wird. 20.000 Teilnehmer aus mehr als 180 Ländern werden unter dem Motto »Für Frieden, Solidarität und soziale Gerechtigkeit kämpfen wir gegen den Imperialismus – indem wir unsere Vergangenheit ehren, bauen wir die Zukunft auf« für sieben Tage im Olympischen Park zusammenkommen. Sie erwartet ein buntes Programm mit politischen Diskussionen sowie kulturellen, wissenschaftlichen und sportlichen Veranstaltungen. Die letzten Weltfestspiele fanden 2013 in Ecuadors Hauptstadt Quito statt.

Die Entscheidung, sich diesmal in Russland zu treffen, wurde im Juni 2016 in Caracas vom Weltbund der Demokratischen Jugend (WBDJ) gefällt. Damit soll des 100. Jahrestags der Oktoberrevolution sowie der Ermordung Che Guevaras vor 50 Jahren gedacht werden. Erinnert wird auch an die Weltfestspiele in Prag 1947 und das Treffen in Moskau zehn Jahre später.

Dem Andenken an zwei weitere Persönlichkeiten, die sich für die Solidarität zwischen den Völkern und für die Befreiung der ehemaligen Kolonien eingesetzt haben und im vergangenen Jahr verstorben sind, wird besondere Bedeutung zukommen: dem ehemaligen Präsidenten der Demokratischen Arabischen Republik Sahara Mohammed Abdelaziz und dem kubanischen Revolutionär Fidel Castro.

Im Zentrum der Diskussionen in der kommenden Woche stehen die Weltregionen – Amerika, Naher Osten, Asien und Ozeanien, Europa – sowie der Gastgeber Russland. Auf dem vom WBDJ organisierten Programm steht dabei vor allem der Austausch über den Kampf gegen Imperialismus, Rassismus und Ausbeutung sowie für eine friedliche Welt im Mittelpunkt.

Ohne Frage, der WBDJ hat schon bessere Tage erlebt. Die Entscheidung, dass die Weltfestspiele in Russland stattfinden, ist ein Ausdruck der weltweiten Schwäche fortschrittlicher Kräfte. Im vergangenen Jahr hatte sich nur Russland bereit erklärt, das Treffen auszurichten. Die damals geäußerten Bedenken von WBDJ-Mitgliedern scheinen sich zu bewahrheiten: Moskau stellt viele Ressourcen zur Verfügung und hat neben dem Programm des Weltbundes ein eigenes, umfangreicheres organisiert, das zum Teil eher einer Karrieremesse für Jugendliche gleicht als einem Treffen antiimperialistischer Aktivisten.

Diese Widersprüche finden sich auch bei politischen Veranstaltungen wieder. So sollen am Montag der russische Außenminister Sergej Lawrow, der Rektor des Moskauer Instituts für internationale Beziehungen, Anatoli Torkunow, und der ehemalige EU-Kommissar Franco Frattini über »Gesellschaft und Weltpolitik« diskutieren. Letzterer ist ein Vertrauter des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi und war in dessen Kabinett Außenminister; mittlerweile ist Frattini Präsident des »Institutes für Eurasienstudien«.

Für Aufregung sorgte zudem die Einladung des Jugendverbandes des in Israel regierenden Likud-Blocks. Der WBDJ reagierte darauf am 27. September mit einer Stellungnahme, in der er klarstellte, dass auf den Weltfestspielen »kein Raum für reaktionäre, faschistische und zionistische Kräfte ist. Der Weltfrieden kann nicht durch Diskussionen oder Kooperation mit solchen Kräften geschaffen werden. Im Gegenteil, dieser kann nur erreicht werden durch die gemeinsamen Aktionen der Jugendlichen, die wirklich die Werte der Weltfestspiele-Bewegung teilen.« Es scheint, die 19. Weltfestspiele werden jede Menge Anlass für politische Debatten bieten.

Erschienen am 14. Oktober 2017 in der Tageszeitung junge Welt